Volkswagen in der Krise – Ursachen, Entwicklungen und was jetzt passieren muss
Volkswagen war über Jahrzehnte eines der Aushängeschilder der deutschen Industrie. Mit Marken wie Audi, Porsche, Skoda oder VW selbst dominierte der Konzern nicht nur den europäischen Markt, sondern war auch weltweit erfolgreich. Doch die Gegenwart ist deutlich weniger glänzend. VW steht unter Druck – technologisch, wirtschaftlich und strategisch.
Marktanteile schrumpfen – vor allem bei E-Autos
Der Marktanteil von Volkswagen in Europa ist auf 24,1 % gefallen – der niedrigste Stand seit über zehn Jahren (Quelle: ACEA). In China, dem wichtigsten Auslandsmarkt, ist der Absatz 2024 um mehr als 20 % eingebrochen (Quelle: Reuters). Während chinesische und US-amerikanische Hersteller wie BYD oder Tesla ihre Verkaufszahlen steigern, verliert VW vor allem im zukunftsträchtigen Bereich der Elektromobilität an Boden.
Auch wirtschaftlich spiegelt sich der Abwärtstrend wider. Der operative Gewinn der Kernmarke VW sank zuletzt deutlich, obwohl Milliarden in neue Plattformen und Softwarelösungen investiert wurden.
Vier Hauptursachen für die aktuelle Situation
Die Probleme sind vielfältig, lassen sich aber auf zentrale Punkte verdichten:
1. Rückstand bei Software und Elektromobilität
Tesla hat mit seiner digitalen Fahrzeugarchitektur neue Standards gesetzt. VW hinkt hinterher. Die eigens gegründete Software-Tochter Cariad kämpfte mit Managementfehlern und Projektverzögerungen. Das für 2026 geplante VW-Betriebssystem ist noch immer nicht marktreif.
2. Verlust des chinesischen Marktes
China war über Jahre ein verlässlicher Wachstumsmotor. Doch chinesische Hersteller bieten inzwischen wettbewerbsfähige E-Autos, oft günstiger und technologisch passender für den lokalen Markt. VW hat zu spät auf diese Veränderungen reagiert.
3. Schwerfällige Konzernstrukturen
Mit über 670.000 Mitarbeitenden weltweit ist
VW ein bürokratischer Koloss. Entscheidungen dauern lange, Innovationsprozesse verlaufen schleppend. In einem Markt, in dem Geschwindigkeit über Markterfolg entscheidet, ist das ein ernsthaftes Problem.
4. Strategische Unschärfe
Anstatt klare Zukunftsmodelle zu entwickeln, setzt VW auf ein zu breites Portfolio. Viele Modelle sind weder voll elektrisch noch besonders innovativ. Zudem fehlt ein emotionaler Markenkern, der in Zeiten der Transformation entscheidend wäre.
Stimmen aus der Branche
Autoexperte Ferdinand Dudenhöffer brachte es kürzlich treffend auf den Punkt:
„Volkswagen ist dabei, den Anschluss an die Zukunft der Mobilität zu verlieren – nicht weil sie nicht investieren, sondern weil sie falsch investieren.“
(Dudenhöffer, Center Automotive Research)
Das spiegelt sich auch im wachsenden Unmut innerhalb des Konzerns und bei Aktionären wider. Selbst treue Investoren fragen sich, ob die strategische Richtung noch zeitgemäß ist.
Erste Reaktionen – aber noch keine Wende
Einige Umstrukturierungen wurden bereits eingeleitet:
- Wechsel in der Führungsebene bei Cariad
- Investitionen in die neue Fahrzeugplattform SSP
- Einsparungen in Verwaltung und Produktion
- Kooperationen mit chinesischen Partnern zur Stabilisierung der dortigen Marktposition
Diese Maßnahmen deuten auf ein Umdenken hin – doch sie kommen spät. Die Konkurrenz ist schneller, agiler und teilweise bereits mehrere Schritte voraus.
Was jetzt passieren muss
Um langfristig konkurrenzfähig zu bleiben, braucht VW einen klaren, mutigen Kurswechsel. Dazu zählen:
• Ein funktionierendes, markenübergreifendes Betriebssystem, das technologische Rückstände aufholt
• Eine neue China-Strategie, die stärker auf lokale Bedürfnisse und Partnerschaften setzt
• Ein Kulturwandel, der Innovation und Schnelligkeit über Konzernpolitik stellt
• Eine Markenpositionierung, die emotional überzeugt und sich deutlich vom Wettbewerb abhebt
Der Umbau muss tiefgreifend sein – und mehr als nur eine Reaktion auf sinkende Zahlen. Es braucht eine Vision, die glaubwürdig ist und intern wie extern getragen wird.
Auswirkungen auf die deutsche Wirtschaft
Volkswagen ist mehr als nur ein Automobilhersteller. Der Konzern ist ein zentraler Pfeiler der deutschen Industrie. Tausende Zulieferer, Mittelständler und Dienstleister hängen an VW – direkt oder indirekt. Gerät der Konzern dauerhaft ins Straucheln, betrifft das nicht nur einzelne Standorte, sondern ganze Regionen.
Auch für das Image des Standorts Deutschland als Technologieführer hat die Krise bei VW Folgen. Wenn ein solches Schwergewicht bei der Mobilitätswende ins Hintertreffen gerät, wirft das Fragen auf – über Innovationsfähigkeit, industriepolitische Weichenstellungen und die Zukunft der „Made in Germany“ -Qualität.
Die Krise bei VW ist damit auch ein Warnsignal für die gesamte deutsche Industrie: Wer sich nicht rechtzeitig wandelt, wird überholt.

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